Teuvo Laitila, Jyrki Loima Nationalism and Orthodoxy. Two Thematic Studies on National Ideologies and their Interaction with the Church. Renvall Institute, Helsinki University Helsinki 2004. 206 S., Abb., Ktn. = Renvall Institute Publications, 15.

Das vorliegende Bändchen vereinigt zwei Studien: „Religion, Violence, Identity and the Enemy: The role of the Serbian Orthodox Church in Serbian National State-building and Nation-making“ von Teuvo Laitila (S. 22–92) und „Nationalism and the Orthodox Church in Finland 1895–1958“ von Jyrki Loima (S. 94–203). Sie werden eingeleitet von einer „Brief Introduction to Nationalism and Orthodoxy“ von Loima (S. 15–19).

Der erste Beitrag unternimmt es, die Rolle der serbischen Orthodoxie sowohl für die Staatenbildung als auch für die Entstehung der Nation bei den Serben zu beleuchten. Zu diesem Zweck beschreibt der Autor die serbische Geschichte von den Anfängen an, mit einem Schwerpunkt auf dem 19. und dem 20. Jahrhundert. Die Darstellung der geschichtlichen Ereignisse und der Rolle der Kirche darin ist weitgehend überzeugend; auch die These, dass die Staatsbildung der Nationwerdung vorausgegangen sei und sich beide Phänomene dann gegenseitig beeinflusst hätten, wird nachvollziehbar vertreten. In der Zusammenfassung stellt der Verfasser heraus, dass national-religiöse Identifizierung gerade in Zeiten von Krisen und Kriegen besondere Bedeutung erlangt.

In der Arbeit findet sich eine Reihe (meist kleinerer) faktischer Fehler und falscher Angaben. Offenbar stand zudem für die Formatierung außer dem š kein Buchstabe mit diakritischem Zeichen zur Verfügung, so dass die Angaben von Personen- und Ortsnamen häufig unkorrekt oder unlogisch (wie etwa: „Miloševic“) sind. Kritisch ließe sich anmerken, dass die Studie keine serbischen Quellen heranzieht und auf Übersetzungen angewiesen ist. Das führt dazu, dass relativ viele hardliner und auch viele gesprächsoffene Vertreter der serbischen Orthodoxie zu Wort kommen. Es ist aber zu fragen, ob sie ein repräsentatives Bild der serbischen Orthodoxie darstellen können.

Der Beitrag von J. Loima beschäftigt sich mit einer orthodoxen Kirche, die oft im Schatten der Aufmerksamkeit steht, nämlich der von Finnland. Obgleich sie nur einige Zehntausend Gläubige hat, ist sie (neben der lutherischen Kirche) eine der beiden Staatskirchen in Finnland. Innerhalb der Orthodoxie fällt sie durch ihre große ökumenische Offenheit und durch die Bereitschaft auf, sich mit den Phänomenen der Moderne auseinanderzusetzen. In dieser Studie nun geht es um die Entwicklung des nationalen Bewusstseins in dieser Kirche zwischen 1895 und 1958, also im zu Russland gehörigen Großfürstentum Finnland und nach 1917 im unabhängigen finnischen Staat.

Der Verfasser stellt zunächst die Russifizierungspolitik der kirchlichen Behörden vor allem auf der Karelischen Landenge dar, die sich bis zur Februarrevolution auf den Schulbereich konzentrierte. Nach dem Bürgerkrieg wuchs das Bemühen, die finnische Kirche dem russischen Einfluss zu entziehen. Der Klerus, in dem vorher ethnische Russen die Mehrheit hatten, wurde mehr und mehr von Finnen gestellt. 1923 wurde die Autonomie der Kirche vom Patriarchat in Konstantinopel anerkannt, so dass die jurisdiktionelle Beziehung zur russischen Orthodoxie beendet war. Russisch orientierte Gemeinden und Priester wandten sich in der Folgezeit der russischen Auslandskirche zu. Zwar brachten der Zweite Weltkrieg und die Zeit danach der Orthodoxie in Finnland nochmals eine Phase schwankender Orientierung, doch war sie im Ergebnis eine finnische Kirche geworden, was wichtige symbolische Akte (Annahme des neuen Kalenders, Finnisch als Liturgiesprache) verdeutlichen.

Hier handelt es sich um einen interessanten Beitrag zu einem wenig studierten Phänomen, der auf Quellenanalysen basiert. Der nicht einfache nationale Wandel der finnischen Orthodoxie wird gut dokumentiert nachvollzogen und erklärt. Die kirchlichen Geschehnisse werden im Kontext der politischen Ereignisse interpretiert.

Somit liegt ein Bändchen vor, das zwei Studien aus ganz unterschiedlichen Regionen miteinander verbindet. Da sich die Situation in Serbien strukturell von der in Finnland vollkommen unterscheidet, ist es der Zusammenhang zwischen Orthodoxie und nationalem Bewusstsein bzw. Nationalismus, den die Beiträge gemeinsam haben. Der im Vorwort angekündigte „comparative epilogue“, den es im Buch nicht gibt, der aber an anderer Stelle erscheinen soll, wird hoffentlich über weitere Verbindungen zwischen beiden Phänomenen, Auskunft geben.

Thomas Bremer, Münster

Zitierweise: Thomas Bremer über: Teuvo Laitila, Jyrki Loima: Nationalism and Orthodoxy. Two Thematic Studies on National Ideologies and their Interaction with the Church. Renvall Institute, Helsinki University Helsinki 2004. = Renvall Institute Publications, 15. ISBN: 952-10-1672-8, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 57 (2009) H. 3, S. 428-429: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Bremer_Laitila_Nationalism_and_Orthodoxy.html (Datum des Seitenbesuchs)