Maks Ėngman Finljandcy v Peterburge [Finnländer in St. Petersburg]. Izdat. Evropejskij Dom S.-Peterburg, Institut Rossii i Vostočnoj Evropy Chel’sinki 2005. 469 S., Tab., Abb., Ktn. = Finljandija v Rossii. ISBN: 5-8015-0183-5.

Bei dem vorliegenden Buch des renommierten finnland-schwedischen Historikers handelt es sich um die russische Fassung des 2003 auf schwedisch und 2004 auf finnisch erschienenen Werkes über die finnische Minderheit in St. Petersburg von der Stadtgründung 1703 bis zur Revolution 1917. Max Engman ergänzt damit sein umfangreiches Œuvre zur Geschichte der finnischen Migration im russländischen Imperium mit dem Fokus auf der Ostseemetropole St. Petersburg um ein zentrales Kapitel der finnisch-russischen Beziehungen. Beginnend mit der Vorgeschichte der Gründung der neuen imperialen Hauptstadt zeichnet er ein vielschichtiges Bild der finnischen Zuwanderung in die wachsende Metropole und der Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Migranten. Dabei gebraucht er bewusst den im Petersburger Kontext entstandenen Terminus „Finljandcy“ (dt. Finnländer), der sich auf alle aus dem finnischen Gebiet stammenden Zuwanderer bezieht, ungeachtet der Sprachgruppe oder ethnischen Zugehörigkeit. Die genaue Definition dieser Bevölkerungsgruppe und damit des Untersuchungsgegenstandes gestaltete sich nach der Eingliederung Finnlands als Großfürstentum ins russländische Imperium mit klar umrissenem Territorium und einer sich entwickelnden Staatsbürgerschaft leichter als während der Zugehörigkeit Finnlands zu Schweden, wo die Abgrenzung von den aus Ingermanland stammenden Zuwanderern und den Schweden lutherischen Glaubens aufgrund der Quellenlage teilweise problematisch ist, so dass zur genaueren Bestimmung eine Kombination aus den Kriterien Geburtsort, Kirchengemeindezugehörigkeit und über die Quellen rekonstruierbare Sprachgruppe zugrunde­gelegt werden musste.

Neben den Gründen und Umständen der Migration beschäftigt sich eines der Hauptkapitel mit der Stellung der Zuwanderer in der sozialen Struktur der Stadt, insbesondere mit den wichtigsten Erwerbsfeldern. Eine zentrale Rolle im städtischen Leben spielten finnländische Handwerker und Dienstboten; auch die Kaminkehrer stammten überwiegend aus Finnland. Besonderen Ruhm erlangten die Goldschmiede, die auch in den berühmten Fabergé-Werkstätten zahlreich vertreten waren. Das zweite Hauptkapitel ist dem Alltagsleben, der Identität und den gesellschaftlichen Strukturen sowie den sozialen und politischen Organisationen gewidmet, wobei in diesem Kontext vor allem die Kirchengemeinden eine wichtige Rolle spielten.

Engman gelingt es überzeugend, die große Bedeutung der Stadt St. Petersburg als wichtiges kulturelles und wirtschaftliches Zentrum für die gesamte finnische Bevölkerung herauszuarbeiten. Diese Sogwirkung zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Petersburg im 18. Jahrhundert zeitweise die größte, und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch die zweitgrößte städtische Bevölkerung finnländischer Herkunft beherbergte. Dabei spart Engman auch die Schattenseiten des finnischen Lebens in St. Petersburg nicht aus wie die weit verbreiteten Alkoholprobleme und die zum Teil sehr ärmlichen Wohn- und Lebensverhältnisse.

Die finnische Präsenz in der russischen Hauptstadt, die deren Charakter und Entwicklung von Anfang an mit prägte, fand ihr jähes Ende mit der Oktoberrevolution und der dadurch möglich gewordenen finnischen Unabhängigkeit Ende 1917. Vielen der nach Finnland Zurückgekehrten wurde zunächst mit Misstrauen begegnet; auch der bekannteste unter ihnen, der spätere Oberbefehlshaber und Präsident C. G. Mannerheim, hatte zunächst unter dem Argwohn gegenüber den aus Russland remigrierten Finnländern zu leiden. Das Buch schließt mit einem kurzen Exkurs über die Rolle der finnischen Armee bei der deutschen Belagerung Leningrads im Zweiten Weltkrieg und einem Ausblick auf die Zeit nach 1945.

Engman hat ohne Zweifel ein Standardwerk geschaffen, das einen zentralen Aspekt der Geschichte der finnisch-russischen Beziehungen illustriert und darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Rolle St. Petersburgs als bedeutendes multikulturelles Kultur- und Wirtschaftszentrum mit Ausstrahlung in die gesamte Ostseeregion leistet.

Olivia Griese, Köln

Zitierweise: Olivia Griese über: Maks Ėngman: Finljandcy v Peterburge [Finnländer in St. Petersburg]. Izdat. Evropejskij Dom S.-Peterburg, Institut Rossii i Vostočnoj Evropy Chel’sinki 2005. ISBN: 5-8015-0183-5, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 57 (2009) H. 4, S. 606-607: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Griese_Engman_Finljandcy.html (Datum des Seitenbesuchs)