Jahrbücher für Geschichte Osteuropas
Ausgabe: 59 (2011) H. 1
Verfasst von:Wilfried Loth
SMAD-Handbuch. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945–1949. Im Auftrag der Gemeinsamen Kommission zur Erforschung der neuesten Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen hrsg. von Horst Möller, Alexandr O. Tschubarjan, Jan Foitzik [u.a.]. München: Oldenbourg, 2009. IX, 822 S. ISBN: 978-3-486-58696-1.
Dieses Handbuch ist ein Produkt der Zusammenarbeit des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin mit dem Institut für allgemeine Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen einer Vereinbarung zwischen dem Staatsarchiv der Russischen Föderation, dem Bundesarchiv und dem Institut für Zeitgeschichte. Es erschließt Bestände des Staatsarchivs der Russischen Föderation, des Parteiarchivs der KPdSU und des Archivs des Außenministeriums der Russischen Föderation im Hinblick auf eine Dokumentation der Organisationsstrukturen der sowjetischen Besatzungsverwaltung in Deutschland bis zur Gründung der DDR im Oktober 1949. Nach einleitenden Beschreibungen der Anlage der Dokumentation und der komplexen Organisationsstruktur der SMAD enthält es in der Hauptsache Darstellungen der einzelnen Abteilungen der SMAD einschließlich der in den Quellen aufzufindenden Organisationsschemata sowie Hinweisen auf die jeweiligen Quellenbestände und eventuell vorhandene Literatur. Neben den zentralen Einrichtungen werden auch die Landesverwaltungen und Kommandanturen dargestellt. Hinzu kommen Darstellungen von Besatzungseinrichtungen, die nicht der SMAD unterstellt waren (etwa der verschiedenen Abteilungen des Ministeriums für Staatssicherheit), etwa 1.000 Kurzbiographien von Funktionsträgern der beschriebenen Einrichtungen sowie einige zentrale Erlasse und Aufstellungen im Wortlaut.
Die Verfasser der Beiträge standen vor zwei grundlegenden Problemen: dem der Unzuverlässigkeit der behördeninternen Zusammenstellungen, die als Grundlagen der Darstellungen dienten, und dem der Unschärfe der dort verwandten Begrifflichkeit. Die Widersprüche, die sich daraus ergaben (etwa hinsichtlich des Datums einer Stellenbesetzung oder des Umfangs des Personalbestands zu einem bestimmten Zeitpunkt), konnten nicht immer aufgelöst werden; zum Teil wurde es erst gar nicht versucht. Jan Foitzik als verantwortlicher Redakteur beklagt ziemlich offen „Wiederholungen und Widersprüche infolge eines großzügigen unkritischen Kopierens des in den Quellen enthaltenen eigenwilligen militärischen und bürokratischen Berichtsstils an Stellen, an denen sich der Autor des speziellen Artikels mit dem Sachverhalt eingehender auseinandergesetzt hat“ (S. 8). Dass die deutsche Redaktion hier nicht stärker in die Beiträge russischer Autoren eingegriffen hat, begründet er zum einen mit deren privilegiertem Quellenzugang, zum anderen mit der Sorge vor redaktionellen Eingriffen der russischen Seite in die Texte deutscher Autoren bei der Erstellung einer russischen Ausgabe des Handbuchs.
Generell haben die beiden Herausgeber die letztlich ihnen obliegende Aufgabe der Vereinheitlichung der Beiträge nicht wahrgenommen. Die Wiedergabe von Verfasser- und Empfängerangaben, Entstehungs- und Unterzeichnungsdaten wird unterschiedlich gehandhabt, ebenso die Verwendung von Abkürzungen in den Texten und Organisationsschemata. Die Quellensammlung „Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–1948“ wird teils nach der russischen, teils nach der deutschen Ausgabe zitiert. Bei der Korrektur der aus den Organisationsschemata gewonnenen Personaldaten durch eine Auswertung der Personalbefehle wurde nicht einheitlich verfahren; in der russischen Ausgabe werden ausführlichere und stärker an den Ernennungsbefehlen orientierte biographische Angaben geboten als in der deutschen.
Der Benutzer des Handbuchs bleibt also darauf angewiesen, die hier gebotenen Daten mit den ihm jeweils zur Verfügung stehenden Quellen abzugleichen. Zugleich leistet das Handbuch aber außerordentlich wertvolle Dienste bei der Einschätzung von sowjetischen Stellen und Vertretern der Besatzungsmacht, die ihm bei der Erforschung der sowjetischen Besatzungszone begegnen. Darüber hinaus vermittelt es einen Eindruck von der überaus komplexen und zugleich in ständigem Wandel begriffenen Struktur der sowjetischen Besatzungsadministration. Zur grundsätzlichen Doppelgleisigkeit von militärischen und zivilen Verwaltungsstrukturen kamen die fortwährende Implantation von Einrichtungen, die den übergeordneten Verwaltungsorganen der UdSSR direkt unterstellt waren, Versuche der Anpassung an wechselnde deutschland- und besatzungspolitische Gegebenheiten sowie beständige Kommunikations- und Kompetenzprobleme. Sie sind wohl weniger als Ausdruck einer virtuosen Herrschaftstechnik Stalins zu deuten als vielmehr als Ausfluss autokratischen, stets auf die Entscheidung eines Einzelnen ausgerichteten Regierens. Wichtig ist, dass sich daraus Handlungsspielräume ergaben, nicht zuletzt für die SED-Führer, auf deren Unterstützung die Besatzer angewiesen waren. Zu Recht spricht Foitzik von einem „wechselseitige[n] Abhängigkeitsverhältnis“ (S. 51) von SMAD und SED-Führung.
Wilfried Loth, Essen
Zitierweise: Wilfried Loth über: SMAD-Handbuch. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945–1949. Im Auftrag der Gemeinsamen Kommission zur Erforschung der neuesten Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen hrsg. von Horst Möller, Alexandr O. Tschubarjan, Jan Foitzik [u.a.]. R. Oldenbourg Verlag München 2009. IX. ISBN: 978-3-486-58696-1, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Loth_Moeller_SMAD_Handbuch.html (Datum des Seitenbesuchs)
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