Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien Regensburg
herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Ausgabe: 64 (2016), H. 4, S. 682

Verfasst von: Reinhard Nachtigal

 

Iz istorii rossijsko-gruzinskich otnošenij. K 230-letiju zaključenija Georgievskogo trak­tata. Sbornik dokumentov. Otv. red. A. N. Artizov. Sost. I. V. Zajcev, I. V. Karpeev / I. V. Popova / M. R. Ryženkov / S. A. Charitonov. Moskva: Drevle­chra­nilišče, 2014. 766 S., Abb., 1 Kte. ISBN: 978-5-93646-231-3.

Im Frühling 2015 erschien im Moskauer Archivverlag dieser aufwändig und edel ausgestattete Dokumentenband, den Archivare dreier Moskauer Staatsarchive (Rossijskij Gosu­darstvennyj Voenno-istoričeskij Archiv, Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv drevnich aktov und Archiv Vnešnej politiki Rossijskoj Imperii) und die Handschriftenabteilung des Instituts für Geschichte, Archäologie und Ethnographie des Wissenschaftszentrums Daghestans in mühevoller Sorgfalt erstellt haben. Über den im Untertitel genannten Vertrag von Georgievsk 1783 hinaus ist das Werk der langen Vorgeschichte der russischen Annexion des ostgeorgischen Königreichs Kartlien-Kachetien im Jahre 1801 gewidmet, wenn auch die Quellentexte selbst (S. 92–609) nur vom Zeitraum 1769 bis 1796 datieren. Der Band ist nicht nur äußerlich ansprechend gestaltet, sondern auch gut strukturiert. Zunächst greift eine historische Übersicht zu den russisch-georgischen Beziehungen (S. 3–56) bis ins 16. Jahrhundert zurück. Sie betont das gemeinsame Christentum als wichtige verbindende Klammer. Hier wird auch die im 18. Jahrhundert ständige Doppelbedrohung Georgiens durch die muslimischen Großreiche Persien und Osmanisches Reich auf der einen Seite und die – teilweise mit diesen verbündeten – muslimischen Bergvölker im Osten des Großen Kaukasus auf der anderen angesprochen. Diese verübten regelmäßige Raubüberfälle auf die nichtnomadische Bevölkerung vor allem Kartlien-Kachetiens. Im Innern stellten mehrere Thronprätendenten der regierenden Bagratiden-Dynastie Ansprüche auf die Nachfolge und erschwerten damit eine politische Stabilisierung des georgischen Territoriums, das sich zunehmend fragmentierte. Die Übersicht verweist bereits auf die später abgedruckten Dokumente. Ein kürzeres Archäographisches Vorwort und eine Zusammenstellende Analyse der georgischen und russischen Handschriftenkorpora führen in den Gebrauch der Quellen ein. Diese sind mit einem textkritischen Apparat in den Fußnoten versehen und werden durch einen weiteren Anmerkungsapparat (S. 610–673) sowie Namen- und Ortsregister ergänzt. Als Inhaltsverzeichnis sind S. 720–766 alle Dokumente chronologisch noch einmal kurz beschrieben. Ein Gesamtinhaltsverzeichnis über alle diese Teile fehlt. Weiterhin sind in der Buchmitte Porträts wichtiger Akteure (Katharina II., Erekle II., Teimuraz II. und Fürst Potemkin) und die im RGVIA erhaltene russische Fassung des Vertrags (die georgische Fassung befindet sich in Tbilisi) fotomechanisch abgebildet. Im hinteren Buchdeckel ist eine Kaukasuskarte eingefaltet, die den Zustand in der späten Katharinenzeit zeigt. Auch ein Glossar, Quellen- und Literaturverzeichnis fehlen nicht.

Aus der historischen Übersicht von V. V. Trepalov und L. S. Gatagova geht hervor, wie aus dem – im Laufe des 18. Jahrhunderts immer wieder geäußerten – Schutzbedürfnis, das sich im georgischen Wunsch nach einem Protektorat (pokrovitel’stvo) durch das Zarenreich artikulierte und im Georgievsk-Vertrag von 1783 schließlich manifestierte, im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts beiderseits der Entschluss zur Annexion (poddanstvo, also Untertanenschaft) erwuchs. Zunächst umfasste diese das ostgeorgische Königreich, in den folgenden Jahren dann weitere Teile des historischen Georgiens und andere Gebiete Transkaukasiens. Diese Entwicklung ist nach Auffassung der Verfasser durch die beständigen Thronwirren unter den zahlreichen Bagratiden-Prinzen und ihre politisch motivierten Allianzen mit Persien oder dem Osmanischen Reich wesentlich mit befördert worden.

Auch wenn ähnliche, freilich nicht so großzügig ausgestattete Quellensammlungen zur langen Geschichte des russischen Ausgreifens über den Großen Kaukasus schon früher erschienen sind, so ist doch diese Publikation, die zu einem eher ungewöhnlichen Zeitpunkt einem Jubiläum der politischen Geschichte gewidmet ist, für die Forschung zu begrüßen.

Reinhard Nachtigal, Freiburg i. Br.

Zitierweise: Reinhard Nachtigal über: Iz istorii rossijsko-gruzinskich otnošenij. K 230-letiju zaključenija Georgievskogo trak­tata. Sbornik dokumentov. Otv. red. A. N. Artizov. Sost. I. V. Zajcev, I. V. Karpeev / I. V. Popova / M. R. Ryženkov / S. A. Charitonov. Moskva: Drevle­chra­nilišče, 2014. 766 S., Abb., 1 Kte. ISBN: 978-5-93646-231-3, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Nachtigal_Artizov_Iz_istorii_rossijsko-gruzinskich_otnosenij.html (Datum des Seitenbesuchs)

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