Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

 

Ausgabe: 59 (2011) H. 1

Verfasst von:Grzegorz Rossoliński-Liebe

 

Stefan Meyer Zwischen Ideologie und Pragmatismus. Die Legitimationsstrategien der Polnischen Arbeiterpartei 1944–1948. Wissenschaftlicher Verlag Berlin 2008. 519 S., Abb. ISBN: 978-3-86573-392-4.

Da die PPR in der letzten Phase des Krieges wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg in der polnischen Bevölkerung relativ unbeliebt war, zumal sie als ein Organ der noch weniger beliebten Sowjetunion wahrgenommen wurde, ist die Untersuchung der Legitimationsstrategien, mit denen die PPR die Bevölkerung für sich gewinnen wollte, ein überaus interessantes und vielversprechendes Thema. Die Dissertation von Stefan Meyer basiert auf zahlreichen Quellen, die es dem Autor erlauben, erstens dem untersuchten Objekt ziemlich nahe zu kommen, zweitens es aus verschiedenen Wahrnehmungsperspektiven zu beleuchten und drittens die Darstellung mit vielen aufschlussreichen zeitgenössischen Zitaten anzureichern, die ihre Lektüre spannend und reizvoll machen. Leider ist die Arbeit nicht frei von Redundanz, die sich bei einer besseren Organisation der dargestellten Problematik sowie beim sorgfältigeren Umgang mit der Sprache sicher hätten vermeiden lassen.

Das Buch besteht aus sieben Kapiteln, die der Autor thematisch in drei Teile zusammenfasste. Obwohl die Dissertation drei kurze „Zwischenbilanzen“ enthält, wird der Leser ein Kapitel vermissen, das die Fragestellung der umfangreichen und komplexen Arbeit mit ihren zahlreichen und durchaus interessanten Erkenntnissen resümieren würde. Nach der theoretisch ausgerichteten Einführung stellt der Autor im zweiten Kapitel die Geschichte der PPR und die Entwicklung der politischen Situation in Polen in der behandelten Periode dar. Im dritten Kapitel erklärt Meyer die Unbeliebtheit der kommunistischen und von der Sowjetunion abhängigen PPR mit der gegenüber dem Kommunismus und der Sowjetunion überwiegend feindlichen Einstellung der Polen und vor dem Hintergrund einer durch Katholizismus, Patriotismus und starken Unabhängigkeitswillen geprägten Tradition.

In den nächsten zwei Kapiteln (vier und fünf) setzt sich der Autor mit dem Hauptanliegen seiner Studie, den historisch, religions- und traditionsorientierten Legitimationsstrategien der polnischen Kommunisten in der ersten Phase der Machtübernahme auseinander. Diese Strategien wandten die Kommunisten der PPR wie auch des Polnischen Komitees zur Nationalen Befreiung (PKWN) an. Dabei verstanden es die kommunistischen Politiker, sich – vermutlich auf Anweisung Stalins, was Meyer sehr klar herausarbeitet und überzeugend darstellt, – mit der katholischen Kirche zu arrangieren und die Geistlichen in ihre Machtrituale zu integrieren (S. 375), sich mit Namen wie Grabski, Witos oder Wasilewska zu schmücken, die bei der Bevölkerung wegen ihres Wirkens in der Zweiten Polnischen Republik positiv konnotiert waren (S. 225–226, 258–258, 387–388), die Nationalhymne auf Versammlungen und Manifestationen exzessiv einzusetzen (S. 249), die Schlacht von Tannenberg/Grunwald von 1410 zum zentralen Ereignis der polnischen Geschichte zu stilisieren, um die Feindschaft gegenüber den Deutschen wach zu halten und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren (S. 287–288), sowie die PPR als „Erbin der Freiheitsbewegungen früherer Jahrhunderte darzustellen“ (S. 296).

In Kapitel sechs zeigt Meyer, wie die PPR 1947/1948 dazu überging, immer offener zum Dogma des Marxismus-Leninismus zu stehen und es nicht mehr länger hinter den polnischen nationalen Traditionen zu verstecken. Dabei diskutiert Meyer den für diese Studie zentralen Begriff des Nationalkommunismus nicht – vgl. dazu z.B. Krzysztof Tyszka Nacjonalizm w ko­munizmie. Ideologia Narodowa w Związku Ra­dziec­kim i Polsce Ludowej. Warszawa 2004 –, obwohl er mehrfach selbst bemerkt, dass die PPR eine nationalistische Strategie verfolgte (z.B. S. 192). Im letzten, siebten Kapitel zeigt der Autor am Beispiel der Umbenennungen von repräsentativen Straßen, Plätzen und Alleen in Warschau, wie die Ideologie der PPR sich auf den öffentlichen Raum auswirkte.

Insgesamt ist Meyers Dissertation trotz der genannten Kritikpunkte eine sehr interessante, anregende und lesenswerte Arbeit. Sie leistet – neben solchen Arbeiten wie der Monographie von Marcin Zaremba (Komunizm, legitimizacja, na­cjonalizm: nacjonalistyczna legitimizacja wład­zy komunistycznej w Polsce. Warszawa 2001) – einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Legitimationsstrategien der kommunistischen Machthaber in Polen.

Grzegorz Rossoliński-Liebe, Berlin

Zitierweise: Grzegorz Rossoliński-Liebe über: Stefan Meyer Zwischen Ideologie und Pragmatismus. Die Legitimationsstrategien der Polnischen Arbeiterpartei 1944–1948. Wissenschaftlicher Verlag Berlin 2008. ISBN: 978-3-86573-392-4, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Rossolinski_Liebe_Meyer_Zwischen_Ideologie.html (Datum des Seitenbesuchs)

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