Daniel Ursprung Herrschaftslegitimation zwischen Tradition und Innovation. Repräsentation und Inszenierung von Herrschaft in der rumänischen Geschichte in der Vormoderne und bei Ceauşescu. Aldus-Verlag Kronstadt/Braşov; Ar­beitskreis für Siebenbürgische Landeskunde Heidelberg 2007. 433 S., 40 Abb. = Veröffentlichungen von Studium Transylvanicum.

Der gewaltsame Umsturz in Rumänien Ende Dezember 1989 markierte ohne Zweifel einen Neubeginn auch für die Erforschung der rumänischen Geschichte, nicht nur in Rumänien selbst, sondern auch im Westen. Ausgehend vom Weberschen Modell von den drei Arten legitimer Herrschaft (der rationalen/legalen, der traditionellen und der charismatischen) behandelt der Schweizer Historiker Daniel Ursprung in einer sehr gut dokumentierten und epochenübergreifenden Analyse anhand dreier Fallbeispiele – der Herrschaft des walachischen Fürsten Matei Basarab (1632–1654), des moldauischen Fürsten Vasile Lupu (1634–1653) und des Partei- und Staatschefs Nicolae Ceauşescu (1965–1989) – eines der interessantesten und zum Teil noch wenig erforschten Themen der rumänischen Geschichte. Wenn für das ausgehende Mittelalter und die Neuzeit (14. – erste Hälfte des 19. Jh.) schon viele Forschungsergebnisse vorliegen (neben den vom Verfasser zitierten Werken sind noch die von Ştefan S. Gorovei und anderen Mitarbeitern des Jassyer Forschungsprogramms zur „Ideologie der Macht im Mittelalter“ zu erwähnen), steht die Analyse der Legitimierung der Herrschaft in der rumänischen Zeitgeschichte (der Zeit der Könige aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen 1866–1940/47, der Diktatur von Ion Antonescu 1940/44 und der Zeit der „Volksdemokratie“ 1947–1989) gerade erst am Anfang.

Daniel Ursprung stellt gleich am Anfang fest, dass die Herrschaft von Nicolae Ceauşescu mit einer auch im Vergleich zu anderen sozialistischen Ländern großen Machtkonzentration in den Händen einer einzigen Person verbunden war (ein Beweis dafür ist auch der ins Groteske gesteigerte Personenkult) und fragt sich erstens, ob es dafür Vorbilder in der rumänischen Geschichte gab, und zweitens, ob sich bei den Rumänen historische Kontinuitätslinien in der Herrschaftslegitimation erkennen lassen (S. 11).

In den ersten zwei Hauptteilen des Bandes wird am Beispiel der Woiwoden Matei Basarab (S. 55–133) und Vasile Lupu (S. 134–183) die Herrschaftslegitimation in den Fürstentümern Walachei und Moldau analysiert. Dabei stellt der Verfasser fest, dass die Änderung des politischen Status der beiden Länder seit dem 15. Jh. auch eine Verschiebung der Akzente in der Herrschaftslegitimation nach sich zog. Dies betrifft in erster Linie die Berufung auf einen bedeutenden ausländischen Machtakteur, den Sultan: „Wer im 17. Jahrhundert Woiwode in der Walachei oder der Moldau werden wollte, hatte vor allem eine Bedingung zu erfüllen: sich der Unterstützung der Hohen Pforte zu sichern. Ansonsten gab es kaum Voraussetzungen, denen ein Kandidat unbedingt entsprechen musste“ (S. 55). Damit spricht der Autor ein von den rumänischen Historikern noch unzureichend erforschtes Thema an, das der Stellung der walachischen und moldauischen Fürsten im osmanischen Herrschaftssystem. Der Verfasser kommt zur Schlussfolgerung, dass der Rang eines walachischen (wie auch moldauischen) Fürsten innerhalb der osmanischen Hierarchie vergleichbar war mit dem Rang eines Beys (Provinzstatthalters). Unseres Erachtens sollte aber dieser Vergleich nuanciert werden. Vor allem hatten die rumänischen Fürsten in inneren Angelegenheiten viel mehr Kompetenzen als etwa die Beys in den osmanischen Provinzen südlich der Donau. Denn wie auch Daniel Ursprung selbst feststellt: „In dieser Stellung der osmanischen Oberhoheit behielten die beiden Woiwodate einen eigenen, christlichen Herrscher, ihre alten Rechte und Gesetze und konnten die inneren Angelegenheiten selber regeln. Die soziale und politische Führungsschicht, das Bojarentum, blieb bestehen; es behielt seine Stellung als sozial dominierende Schicht, da Moslems kein Niederlassungsrecht in den Woiwodaten genossen“ (S. 47–48). Nicht zu übersehen ist auch die Tatsache, und darüber debattiert der Verfasser an Beispielen von Matei Basarab und Vasile Lupu bis ins Detail, dass in den Urkunden der Fürstenkanzleien der Walachei und der Moldau nur das Gottesgnadentum als Quelle für die Macht der Fürsten über die jeweiligen Woiwodate erwähnt wird (S. 85–99).

Selbstverständlich betrifft die Legitimierung der Herrschaft von außen in erster Linie Vasile Lupu, der keine direkte oder indirekte genealogische Verbindung mit der lokalen politischen Elite und schon gar nicht mit der moldauischen Fürstendynastie der Muşatinen vorweisen konnte. Neben der ständigen Beteuerung seiner Treue dem Osmanischen Reich gegenüber griff Lupu auch zu symbolischen Gesten. So zielte die Hinzufügung des Vornamen Vasile (von gr. Βασιλέυς, König bzw. Kaiser) zu seinem Taufnamen Lupu (vor der Thronbesteigung war er als Lupu Coci bekannt gewesen) darauf, an byzantinischen Traditionen und Vorbildern anzuknüpfen (S. 141–142, 159, 167–173). Da ihm die byzantinische Tradition am Herzen lag, wusste sich Vasile Lupu auch als Beschützer und Schirmherr aller orthodoxen Christen im levantinischem Raum (und auch des Patriarchats von Konstantinopel) darzustellen (S. 160–167). Die Adressaten solcher Gesten waren nicht die lokalen Adeligen, sondern vielmehr die so genannten „Griechen“ (reiche Christen von der ganzen Balkanhalbinsel), die in den beiden Fürstentümern seit dem Anfang des 17. Jhs. ständig an Einfluss gewonnen hatten (S. 52, 55–64, 142–143).

Im Vergleich zu Vasile Lupu war Matei Basarab bemüht, eine Verwandtschaft mit der walachischen fürstlichen Dynastie vorzuweisen. So fügte Matei nach seiner Thronbesteigung zu seinem Taufnamen auch den Namen Basarab hinzu, was zweifellos auf eine Ahnenbeziehung mit dem Fürsten Neagoe Basarab (1512–1521) hindeuten sollte (S. 64–68). Dieser symbolische Akt war nur ein Teil eines Herrschaftslegitimationsprogramms, das aus vielen einzelnen neu definierten Elementen bestand, die Matei auch mit Hilfe seines Schwagers Udrişte Năsturel durchsetzen wollte (S. 65, 69–74, 80–85).

Im letzten Hauptteil seines Buches befasst sich der Autor mit der Herrschaft Ceauşescus, mit besonderem Blick auf dessen Personenkult. Der Verfasser zieht zuerst einen Vergleich zwischen dem Personenkult um Ceauşescu mit dem um andere kommunistische Führer. Dabei kommt Daniel Ursprung zur Schlussfolgerung, dass hier keine vorschnelle Gleichsetzungen vorgenommen werden sollten, da die kontextuellen Bedingungen und damit die Voraussetzungen für den Personenkult in den sozialistischen Ländern sehr unterschiedlich waren (S. 205–208). Einer der Unterschiede wäre, dass Ceauşescu keine Legitimation (wie etwa Mao Zedong, Enver Hoxha oder Tito) in seiner kommunistischen Vergangenheit selbst finden konnte, da er keine besondere Rolle in der kommunistischen Bewegung der Vorkriegs- und Kriegszeit gespielt hatte, und dass die Machtübernahme durch die Kommunisten in Rumänien bloß das Ergebnis der Nachkriegsregelungen durch die Großmächte war. Aus diesem letzten Grunde konnte Ceauşescu wie auch sein Vorgänger Gheorghe Gheorghiu-Dej kaum auf den UdSSR-Faktor setzen. Als Alternative für die Legitimierung nicht nur der kommunistischen, sondern auch seiner persönlichen Herrschaft griff Ceauşescu mit Hilfe des Propagandaapparats zu einer ganzen Reihe neu kreierter Legitimationsinstanzen, in denen das eigene Charisma eine zentrale Rolle spielte. So wird er als Anführer der Bevölkerungsmassen (S. 203–263, 281–293), als Verkörperung der nationalen Einheit und Garant eines unabhängigen Rumäniens (S. 293–316), als bedeutender Akteur der internationalen politischen Bühne und als Friedensstifter (S. 263–281) dargestellt. In dieser Hinsicht ist die Herrschaftslegitimation bei Ceauşescu mit der bei Vasile Lupu zu vergleichen.

Die wichtigste Schlussfolgerung aus diesen untereinander nur zum Teil vergleichbaren Fallstudien ist, dass wegen des Fehlens einer klaren und stabilen Tradition der Herrschaftslegitimation in der rumänischen Geschichte Herrschaftstechniken und -verfahren immer von neuem so entwickelt und ausgestattet wurden, dass sie einer konkreten historischen Situation gerecht wurden. Deswegen können die Antworten auf die vom Autor am Anfang gestellten Fragen nur mir äußerster Vorsicht gegeben werden.

Flavius Solomon, Jassy

Zitierweise: Flavius Solomon über: Daniel Ursprung: Herrschaftslegitimation zwischen Tradition und Innovation. Repraesentation und Inszenierung von Herrschaft in der rumaenischen Geschichte in der Vormoderne und bei Ceauşescu. Aldus-Verlag Kronstadt/Braşov; Arbeitskreis fuer Siebenbuergische Landeskunde Heidelberg 2007. = Veroeffentlichungen von Studium Transylvanicum. ISBN: 978-973-7822-20-8, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 57 (2009) H. 3, S. 424-426: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Solomon_Ursprung_Herrschaftslegitimation.html (Datum des Seitenbesuchs)