Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Ausgabe: 59 (2011) H. 2

Verfasst von: Piotr Szlanta

 

Lech Trzeciakowski Otto von Bismarck. Wrocław: Zakład Narodowy im. Ossolińskich – Wydawnictwo, 2009. 359 S. ISBN: 978-83-04-04846-1.

Dieser in der angesehenen biographischen Reihe des Wroc­ławer Ossolineum-Verlags in erschienene Band thematisiert das Leben des ersten deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck. In den letzen Jahren sind bereits zwei Bücher auf Polnisch über Bis­marck veröffentlicht worden (Christian Krockow Bismarck. Bio­gra­fia. Warszawa 1997; Piotr Łysakowski Otto von Bismarck. Życie i polityka żelaznego kanc­lerza War­sza­wa 1997). Das vorliegende Buch gliedert das Material in 16 Kapiteln und bereitet es chronologisch auf. Der Schwerpunkt liegt auf Bismarcks politischer Tätigkeit.

Der herausragende Posener Historiker Trzeciakowski analysiert Bismarcks politisches Handeln und seine politischen Ideen vor dem Hintergrund der sich rasch wandelnden deutschen Gesellschaft im langen 19. Jahrhundert. Natürlich spielen auch Bis­marcks Bild von Polen und seine Polenpolitik im Reich eine wichtige Rolle. Dieses Thema reicht von den ersten Kontakten mit polnischen Saisonarbeitern in Pommern und mit politischen Emigranten nach dem Novemberaufstand von 1830–1831 bis zur heftigen Kritik Bismarcks an seinem Nachfolger Caprivi, als dieser in den frühen neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine Politik der Versöhnung und des Ausgleichs mit konservativen Kreisen in Polen initiierte. Der Leser lernt Bismarck auch als Menschen kennen. Der Autor schildert Bismarcks komplizierten Charakter, sein Wertesystem, seine Religiosität, seinen Lebensstil, seinen Freundeskreis, seine Familienbeziehungen und sein Verhältnis zu Mitarbeitern.

Die Stärke dieser Arbeit liegt in der Zusammenführung von polnischen und deutschen Forschungsergebnissen für polnische Leser. Es handelt sich um eine gute und gut lesbare Synthese des verfügbaren Wissens, allerdings ohne fundamental neue Erkenntnisse, die nicht schon woanders nachzulesen wären. Allerdings sind Bismarck und das Kaiserreich historisch auch recht gut erforscht, so dass es schwierig ist, hier noch Neues zu liefern. Trzeciakowski verteidigt die Einigung Deutschlands mit „Blut und Eisen“. Sein Argument lautet, dass die damaligen Partikularismen zu stark gewesen seien, um das Ziel mit rein parlamentarischen und diplomatischen Mitteln zu erreichen. Der schnelle internationale Wiederaufstieg Deutschlands nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg lag, so Trzeciakowski, auch an dem durch Bismarck gelegten Fundament, also einem effektiven Staatsapparat, der Überwindung von Partikularinteressen, der Industrialisierung, der Entwicklung der Wissenschaften und des Parlamentarismus. Andererseits argumentiert der Autor, dass die Bismarcksche Epoche zu schweren Hypotheken geführt habe: Militarismus und Nationalismus hatten an Bedeutung gewonnen, nationale Minderheiten wurden unterdrückt, die Außenpolitik wurde zunehmend aggressiver. All dies war langfristig nicht ohne Einfluss für die Entstehung der nationalsozialistischen Ideologie. Der Verfasser sieht allerdings keine direkte Kontinuität von Bismarck zu Hitler.

Die Monographie basiert hauptsächlich auf gedruckten Quellen, gelegentlich – dies lässt sich den Fußnoten entnehmen – wurden auch archivalische Quellen herangezogen. Das Buch umfasst eine Bibliographie und ein Personenregister. Es ist mit Bildern und Karikaturen illustriert, enthält Karten und einen Stammbaum der Familie von Bismarck. In der Bibliographie fehlen m.E. hie und da einige Titel, so die Monographien zur Außenpolitik des Kaiserreichs von Wolfgang Mommsen oder Klaus Hildebrand. Die Terminologie ist gelegentlich nicht ganz konsequent – so wird mal von der Donaumonarchie Österreich-Ungarn gesprochen, mal nur von Österreich, S. 239). Diese Marginalien schmälern allerdings nicht das Gesamturteil, dass es sich bei dem Buch um die derzeit beste Biographie Bismarcks auf dem polnischen Markt handelt.

Piotr Szlanta, Warschau

Zitierweise: Piotr Szlanta über: Lech Trzeciakowski Otto von Bismarck. Wydawn. Zakład Narodowy imienia Ossolińskich Wrocław 2009. ISBN: 978-83-04-04846-1, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Szlanta_Trzeciakowski_Otto_von_Bismarck.html (Datum des Seitenbesuchs)

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