Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Ausgabe: 59 (2011) H. 3

Verfasst von: Krista Zach

 

Dirk Moldt: Deutsche Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen. Korporationsrechte – Sachsenspiegelrecht – Bergrecht. Köln, Weimar, Wien: Böhlau, 2009. 259 S. = Studia Transylvanica, 37. ISBN: 978-3-412-20238-5.

Es ist meist spannend und vielversprechend, wenn ein Historiker sich an ein Thema der Rechtsgeschichte in Mittelalter und Früher Neuzeit heranwagt. Seine Forschungsergebnisse lassen all jene auf neue Erkenntnisse hoffen, die sich der Mühe, die Quellen zu lesen, aus Zeitmangel oder Bequemlichkeit nicht unterzogen haben mögen. Eine Arbeit dieser Qualität liegt nun hier vor, und sie erfüllt, was von ihr erwartet werden kann, selbst wenn den Autor seine Redlichkeit wiederholt versichern lässt, er habe auf so manche Frage keine Antwort gefunden. – Noch keine, würde man sich wünschen.

Wer sich an dieses Thema heranwagt, muss viel Geduld, Ausdauer, exemplarische rechtsgeschichtliche wie Mittelalter-Lateinkenntnisse und, ja, einige Courage aufbringen – Dirk Moldt hat all das dankenswerterweise getan. Entstanden ist, auf relativ wenig Raum und gespickt mit überwiegend lateinischsprachigen Quellenbelegen, eine überaus instruktive Erläuterung zu den so genannten „Privilegien“ der mitteleuropäischen hospites im Königreich der Stephanskrone. Jedem Unterkapitel wird eine „Zusammenfassung“ beigegeben, die dem Leser hilft, den Roten Faden und die Übersicht nicht zu verlieren.

Sachsenspiegel-, Schwabenspiegel-, sächsisch-magdeburgisches Weichbild-, Markt-, Stadt- und Bergrecht, auch unter dem schon im Mittelalter verbindlichen Namen „deutsches Recht“ (S. 12, 23) zusammengefasst, sowie nicht zuletzt Römisches Recht (S. 209–228) flossen – in „benutzerorientierter Kompilation“ (S. 215) und immer wieder von Neuem mit Veränderungen und Anfügungen versehen (S. 210) – in die Rechtsordnungen der Gastsiedler ein. Eine solche Kompilation aus mehreren der genannten Rechtstexte ist der in Hermannstadt überlieferte und aufbewahrte Altemberger Codex, über dessen Zustandekommen zwar noch keine endgültige Klarheit besteht – Moldt nennt Hinweise auf eine Abfassung im 14. Jahrhundert; das Jahr 1481 bezeichne lediglich die Provenienzinschrift von der Hand des Hermannstädter Bürgermeisters Thomas Altemberger und nicht die Herstellung des Codex gleichen Namens (S. 215–216) –, dessen beständige Anwendung Moldt jedoch aus den von ihm untersuchten Rechtsgeschäften vielfach nachweisen kann (S. 68).

Allein schon dadurch kann der Verfasser endgültig klären, dass das Sachsenspiegel- und sächsisch-magdeburgische Stadt- und Marktrecht, also das im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit „modernste Recht“, wie es Friedrich Ebel einst formuliert hat (Friedrich Ebel: Rechtsentstehung und Rechtstransfer im Spiegel der Überlieferung [Magdeburger und Lübecker Recht], in: Heiner Lück, Matthias Puhle, Andreas Ranft [Hrsg.]: Grundlagen für ein neues Europa. Das Magdeburger und Lübecker Recht in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Köln, Weimar, Wien 2009, S. 37–48, hier S. 40–41), nicht allein bei den hospites in Siebenbürgen, sondern auch bei anderen Gruppen im Königreich Ungarn in Gerichtsakten und Rechtsbüchern wie dem Altemberger Codex verbreitet war. Das Buda/Ofner Marktrecht, das in ganz Ungarn wichtigstes Vorbild war, verleugnet keineswegs – wie viele andere regionale Marktrechte im mittleren und östlichen Europa auch – die Magdeburger Rechtsprovenienz. (S. 23–24, 71ff.) (Ebel Rechtsentstehung und Rechtstransfer, S. 38, 40) Gleicherweise gilt im Mittelalter auch für Ungarn, dass diese Rechte nicht allein einer Gruppe von Migranten zugute kamen. Vergleichbares geschah z. B. in Breslau 1261 und 1352, wo das den deutschen Migranten verliehene Personengruppenrecht, das Freiheits- und Gleichheitsklauseln beinhaltete, nach nur 90 Jahren zum Bürgerrecht für alle Stadtbewohner wurde. (Ebel: Rechtsentstehung und Rechtstransfer, S. 41). Und ähnlich wurden auch im nordsiebenbürgischen Bistritz die marktrechtlichen Freiheiten nach Budaer Marktrecht, das Magdeburger Recht war, 1366 auf alle Stadtbürger ausgeweitet.

Dirk Moldt formuliert zu Beginn sechs Leitfragen (S. 1–4) und stellt dazu fest: Die Korporationsrechte der hospites, die als „Schwurverbände“ in Erscheinung traten, bestanden in „Freiheiten“, die ihnen die ungarische Krone zu verschiedenen Zeiten, in geringerem wie höherem Maße, gewährt und bestätigt hatte. Das war ein unter dem Namen „Hermannstädter Freiheit“ bekannter Rechtsstand, Moldt nennt es ein „stabiles und erfolgreiches Erweiterungsmodell“ (S. 68). Im Jahr 1486 umfasste die „Hermannstädter Freiheit“ dank königlicher Rechtserweiterung durch Matthias Corvinus auch die übrigen sächsischen Siedlungen, vor allem das Nösner Land (die Provinz Bistritz) und das Burzenland. Letzteres ist natürlich keine neue Erkenntnis des Autors. Moldts Fragen lauten: 1. Beruhten die Freiheitsrechte der siebenbürgischen hospites auf sächsisch-magdeburgischem Recht? 2. Gab es hier ein gemeinsames Bürgerrecht für Stadt und Land? 3. Welches Bergrecht galt in Siebenbürgen – war es das Iglauer Recht? 4. Gab es ein gemeinsames Stadt- und Bergrecht? 5. Gab es auch in Ungarn Stadtrechtskreise? 6. Gab es in Siebenbürgen Städtebünde? Bis auf die letzte werden alle fünf Fragen verifiziert. Städtebünde gab es in Siebenbürgen nicht.

Ein zentrales Untersuchungsergebnis der Monographie ist es, dass Moldt die Bewidmung mit „Freiheiten“ als immer wiederkehrende Bedingungen feststellen konnte. Im Kern waren es sechs sogenannte Mindestbedingungen, auch die „zweimal-dreifache Anbindung an den König“ genannt, die in Ungarn das Funktionieren solcher Siedlungen gewährleisteten. Sie erst sicherten „dauerhaft Bürgerfreiheiten für alle Menschen innerhalb des Geltungsbereichs des Andreanums, unabhängig von der Art ihrer Siedlung“ (S. 68). Die Mindestbedingungen konnte der Verfasser in allen örtlichen Rechtsquellen Siebenbürgens (oft mit Verweis auf andere Orte in Ungarn) immer wieder feststellen.

Diese Mindestbedingungen beinhalteten Rechte und Pflichten des Königs wie der Siedler: 1. Die Siedler hatten das Recht am Boden, auf dem sie saßen, auf die eigene Verwaltung (autonome Richter und Pfarrerwahl durch die Gemeinden) und auf den Markt in ihrer Gemeinde (als Exemptionen oder als Marktrecht). 2. Der König hatte das Recht auf Abgaben der Siedler, auf Kriegsdienstleistungen und auf die Oberste Gerichtsbarkeit im Rechtszug. (S. 72)

Zwei wesentliche Punkte unterschieden das hospites-Recht in Ungarn vom Magdeburger Recht: Es fehlten die Schöffen als Institution der Rechtsfindung, und die oberste Appellationsinstanz war das königliche Gericht und nicht der Magdeburger „Oberhof“ (S. 72). Die Rezeption „deutschen Rechts“ erfolgte auch in Siebenbürgen partiell, auf verschiedenen Vermittlungswegen und in mehreren Schüben (S. 229). Damit steht – entgegen den bislang meist kolportierten „originellen [Autochtho­nie-]Thesen“ in der ungarischen Forschung fest, dass die „Quellen des ungarischen Stadtrechts in den deutschrechtlichen Stadtgründungen der mittelalterlichen Ostsiedlung zu suchen sind.“ (S. 12) Auch ungarische Stadtrechte waren Kompilationen aus verschiedenen deutschen Rechten und daneben auch aus Römischem Recht. (S. 32)

Dirk Moldts Arbeitsaufwand war enorm, wie es schon der erste Augenschein zeigt: Die seitenweise zitierten, meist lateinischen Textstellen in den rund 1160 Fußnoten sind nur ein Beleg, der 25-seitige nach Quellen-, Literatur- und Ortsnamensverzeichnis gut gegliederte wissenschaftliche Apparat im Anhang ein weiterer. Etwas Wermut tropfte allerdings auch in diese herausragende Arbeit hinein – Kongruenzfehler (S. 229, 230, 240), Buchstabenteufel („Jahresangaben“ statt „Jahresabgaben“, S. 216), Vornamenverwechslungen (es soll „Johannes Honterus“ statt „Thomas Honterus“, „Thomas Bomelius“ statt „Peter Bomelius“ heißen) und Fehler im Ortsnamenregister („Talmesch“ für „Tolmasch“ von S. 66 fehlt auf S. 259; „Karlsburg“ hieß bis zum 17. Jahrhundert Weißenburg, worauf ein Hinweis S. 257 fehlt).

Krista Zach, München

Zitierweise: Krista Zach über: Dirk Moldt Deutsche Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen. Korporationsrechte – Sachsenspiegelrecht – Bergrecht. Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2009. = Studia Transylvanica, 37. ISBN: 978-3-412-20238-5, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Zach_Moldt_Deutsche_Stadtrechte.html (Datum des Seitenbesuchs)

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