Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 7 (2017), 2 Rezensionen online / Im Auftrag des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Danijel Kežić

 

Elena P. Kudrjavceva: Političeskie i kulturnye otnošenija Rossii i Serbii v 30–50-e gody XIX veka. Dokumenty rossijskogo MID. Otv. red. i sost. E. P. Kudrjavceva. Moskva: Nauka, 2013. 532 S., Tab. ISBN: 978-5-02-038040-0.

Die Quellensammlung über die politischen und kulturellen Beziehungen zwischen Russland und Serbien in den 1830er bis zu den 1850er Jahren ist ein offiziöses Werk, an dem die Russische Akademie der Wissenschaft, das Außenministerium der Russischen Föderation und das Institut der russischen Geschichte beteiligt waren. Das ganze Projekt wurde durch Fördergelder des Russischen Geisteswissenschaftlichen Wissenschaftsfonds finanziert. Vorgänger dieser Quellensammlung war eine im Jahre 1997 erschiene Quellenedition (Političeskie i kulturnye otnošenija Rossii s jugoslavjanskimi zemljami v pervoj treti XIX veka. Dokumenty. Otv. red. i sost. Aleksej L. Naročnickij / Vasa Čubrilović. Moskva 1997), in der die Zeit zwischen 1800 und 1833 behandelt wurde. Das damalige Projekt wurde in Zusammenarbeit mit der Serbischen Akademie der Wissenschaft durchgeführt, und es wurden sowohl Quellen aus russischen, als auch aus serbischen Archiven publiziert. Die neue Quellensammlung für die Zeit bis 1854 umfasst ausschließlich Quellen aus dem Archiv der Außenpolitik des Russischen Imperiums (AVPRI). Die Folge eines solchen Verfahrens ist, dass der Leser viele Ereignisse fast ausschließlich aus der Perspektive Russlands wahrnimmt, was als Manko anzusehen ist. Das Ziel war eigentlich vor allem, durch die Veröffentlichung neuer Quellen ein objektives Bild über den politischen Aspekt der serbisch-russischen Beziehungen in der Zeit der Entstehung des autonomen serbischen Fürstentums darzubieten, was letztendlich nur teilweise gelang.

Einem knappen Vorwort (S. 3–9) folgen 287 chronologisch angeordnete Dokumente (S. 10–503). Am Ende des Buches finden sich eine Übersicht aller Dokumente (S. 503–519), eine Liste der Fachbegriffe (S. 520–522) und zwei sehr praktische Register: ein Personen- (S. 522–528) und Ortsnamensregister (S. 528–531). Technisch ist diese kritische Quellenedition sehr professionell gestaltet. Durch passende Erläuterungen und Anmerkungen bekommt der Leser alle notwendigen Informationen über die wichtigsten Akteure, was die Lektüre verschiedener diplomatischer Briefe erleichtert und die Einordnung verschiedener Quellen in den historischen Kontext ermöglicht. Die hohe Qualität der Abbildungen der wichtigsten russischen und serbischen Akteure jener Zeit unterstreicht den Eindruck der Professionalität.

Die Dokumente reichen von der ersten diplomatischen Korrespondenz zwischen Serbien und Russland nach der Proklamation der Autonomie Serbiens 1833 bis zur Verkündung der Neutralität Serbiens im Krimkrieg 1853–1854. Alle Dokumente sind vollständig publiziert. Bei den französischsprachigen Quellen folgt eine russische Übersetzung. Laut der Herausgeberin sind auf Serbisch verfasste Quellen nur im Original publiziert, was aber nur teilweise zutrifft: Von insgesamt 24 Dokumenten wurden nur 13 in der Originalsprache abgedruckt. Bei elf serbischsprachigen Dokumenten finden wir nur die russische Übersetzung. Nicht nachvollziehbar ist, warum hier nicht eine ähnliche Lösung wie französischen Texten verwendet wurde. Von den insgesamt 287 Dokumenten sind 220 auf Russisch, 54 auf Französisch und 13 auf Serbisch. Fast alle diese Quellen wurden bisher noch nicht publiziert: Ausnahmen sind die Dokumente Nr. 6, 8, 87, 134, 150. Bei dem Großteil der publizierten Quellen handelt es sich um Originale (168), obwohl die Zahl der Kopien auch nicht als gering einzuschätzen ist (105). Bei 12 Dokumenten handelte sich um Übersetzungen. In die technisch fast perfekte kritische Quellenedition haben sich zwei kleine Fehler eingeschlichen: 1. Bei dem Dokument Nr. 194 ist unklar, ob ein Original oder eine Kopie vorliegt. 2. Im Dokument Nr. 22 aus dem Jahr 1835 ist am Ende als Verfasser Fürst Mihajlo Obrenović angegeben, obwohl es sich um einen Brief seines Vaters Miloš Obrenović handelt, der 1835 serbischer Fürst war. Es bleibt unklar, ob es sich hier um einen Druckfehler oder um eine Fälschung handelt (falls im Original tatsächlich als Verfasser Mihajlo angegeben ist).

Thematisch ist diese Quellensammlung sehr vielfältig. Alle zentralen Ereignisse der Geschichte Serbiens seit der Ausrufung der Autonomie 1833 werden beleuchtet. Aus den Quellen wird schnell klar, welche große Rolle Russland bei der Entstehung des serbischen Fürstentums spielte und wie die serbische politische Führung in eine prowestliche und eine prorussische Strömung gespaltet war. Bei vielen wichtigen Entscheidungen suchten die serbischen Politiker die Zustimmung des russischen Zaren Nikolaus I. (S. 272) Die Rolle von Ilija Garašanin und der Einfluss der polnischen Emigranten auf seine Politik werden ebenfalls thematisiert und er selbst erscheint sehr negativ dargestellt (S. 337, 458). Die Quellen machen deutlich, wie seit 1833 die politischen und kirchlichen Strukturen im Fürstentum Serbien entstanden und wie Russland und Österreich versuchten, deren Entstehung ideologisch und politisch zu beeinflussen. Die Tatsache, dass die serbische intellektuelle Elite ihre Ausbildung überwiegend im Westen erhielt, wurde in Russland sehr kritisch gesehen, weil dadurch viele „gefährliche“ Ideen nach Serbien kämen. Deswegen versuchten die Verantwortlichen in Russland, der jungen Generation in Serbien den Zugang zu den russischen Hochschulen zu erleichtern (S. 413, 419). Die Ausbildung der neuen serbischen geistlichen Elite sollte in Russland erfolgen, um die Serbisch-Orthodoxe-Kirche ideologisch an die Russische Kirche anzunähern. Dieser Prozess lässt sich anhand von insgesamt 20 Quellen sehr gut verfolgen. In vielen Quellen findet der Leser auch wichtige Informationen über die damalige serbische Gesellschaft, beispielsweise über die wirtschaftliche Lage, das Ausbildungsniveau, die Kirche, Waffenkäufe etc. Die Ambivalenz der damaligen serbischen Gesellschaft zwischen dem Westen und Russland kommt dabei stets zum Ausdruck.

Die gelungene Quellensammlung bietet auf jeden Fall eine sehr gute Grundlage für die weitere Forschung zur Geschichte Südosteuropas zwischen 1833 und 1854. Die neu zugänglich gemachten Quellen ergänzen sehr gut die aktuelle Forschung über die Rolle Russlands bei der Entstehung der politischen und kirchlichen Strukturen im autonomen serbischen Fürstentum und lassen sich auch gut in den Geschichtsunterricht integrieren. Leider bleibt die Frage nach der Objektivität des vermittelten Bildes offen, weil die Quellen aus serbischen Archiven nicht berücksichtigt wurden und dementsprechend einige umstrittene Themen einseitig dargestellt werden. Es ist zu hoffen, dass eine ergänzende Quellenedition folgt.

Danijel Kežić, Kiel

Zitierweise: Danijel Kežić über: Elena P. Kudrjavceva: Političeskie i kul'turnye otnošenija Rossii i Serbii v 30–50-e gody XIX veka. Dokumenty rossijskogo MID. Otv. red. i sost. E. P. Kudrjavceva. Moskva: Nauka, 2013. 532 S., Tab. ISBN: 978-5-02-038040-0, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Kezic_Kudrjavceva_Politiceskie_i_kulturnye_otnosenija.html (Datum des Seitenbesuchs)

© 2017 by Institut für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg and Danijel Kežić. All rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact jahrbuecher@ios-regensburg.de

Die digitalen Rezensionen von „Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. jgo.e-reviews“ werden nach den gleichen strengen Regeln begutachtet und redigiert wie die Rezensionen, die in den Heften abgedruckt werden.

Digital book reviews published in Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. jgo.e-reviews are submitted to the same quality control and copy-editing procedure as the reviews published in print.