Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 1 (2011), 2 Rezensionen online

Verfasst von: Christian Pletzing

 

Roman P. Smolorz: Displaced Persons (DPs). Autoritäten und Anführer im angehenden Kalten Krieg im östlichen Bayern. 2., verb. u. erw. Aufl. Regensburg: Stadtarchiv Regensburg, 2009. 165 S., zahlr. Abb. = Regensburger Studien, 11. ISBN: 978-3-935052-53-5.

278.056 Zivilisten, die sich kriegsbedingt außerhalb ihrer Heimat aufhielten, lebten im Oktober 1946 in Bayern. Von den Alliierten wurden diese Menschen als displaced persons (DPs) bezeichnet. 1950 stammten die DPs im östlichen Bayern vor allem aus Ungarn, der Tschechoslowakei, Polen, der UdSSR, Jugoslawien, der Türkei und den baltischen Staaten. Ihre Geschichte thematisiert Roman P. Somolorz in seiner zuerst 2006 erschienenen Arbeit, die nun seit 2009 in einer verbesserten und erweiterten Auflage vorliegt. Während sich andere regionalgeschichtliche Untersuchungen zur DP-Problematik auf den Alltag in den Flüchtlingslagern konzentrieren, rückt Smolorz die Rolle der Funktionseliten unter den DPs – im Untertitel des Bandes als „Autoritäten und Anführer“ bezeichnet – in den Mittelpunkt seiner Studie.

Zunächst rekonstruiert Smolorz die Zahlen der displaced persons, die sich zwischen den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs und den fünfziger Jahren im östlichen bzw. südöstlichen Bayern aufhielten. Leider definiert Smolorz die Regionen östliches bzw. südöstliches Bayern nicht, so dass der geographische Bezugsrahmen der Arbeit unklar bleibt. Kritisch beurteilt Smolorz die Tätigkeit der UNRRA und ihrer Bemühungen, die DPs in ihre Heimatländer zu repatriieren. Das – wie Smolorz zu Recht feststellt – für die kollektive Erinnerung der Deutschen wichtige Problem der DP-Kriminalität bleibt ausgeklammert. Dagegen geht er auf das Problem der tschechoslowakischen Flüchtlinge ein, die seit 1948 in Bayern eintrafen, und macht damit deutlich, dass DPs nicht nur während des Zweiten Weltkriegs bzw. in den ersten Nachkriegsmonaten in die westlichen Besatzungszonen Deutschlands gelangten.

Den Schwerpunkt von Smolorzs Arbeit bildet die Darstellung der DP-Eliten in Regensburg und Umgebung, die sich vor allem aus den Funktionsträgern der Lager, Klerikern, Militärs und Intellektuellen rekrutierten. Besondere Aufmerksamkeit richtet Smolorz auf die Rolle der Geistlichen der verschiedenen Religionen, die in den DP-Lagern vielfältige politische und soziale Aufgaben wahrnahmen. Im beginnenden Kalten Krieg bemühte sich die seit 1945 in Regensburg bestehende sowjetische Militärmission um die Infiltration der Emigranten. Im Gegenzug versuchte der amerikanische CIC, katholische Kleriker, weißrussische NS-Kollaborateure, orthodoxe Geistliche und polnische Soldaten der Heimatarmee als „Hilfstruppen im Kalten Krieg“ zu gewinnen. Dem östlichen Bayern kam bei den Aktionen und Gegenaktionen der Geheimdienste eine besondere Rolle zu, da die Route München – Regensburg – Pilsen – Prag einen wichtigen Verbindungsweg zwischen den Emigranten im Westen und der politischen Opposition im Osten Europas darstellte. Eine Schlüsselstellung schreibt Smolorz Theodor Oberländer zu, der in Regensburg als Kontaktperson der westlichen Geheimdienste zu den ostmitteleuropäischen DP-Eliten fungierte. Der CIC, so Smolorzs These, rekrutierte in den Regensburger DP-Lagern eine mittel- und osteuropäische Funktionselite, die bis zum Kriegsende häufig mit der Abwehr der Wehrmacht kooperiert hatte.

Smolorzs Verdienst ist es, das Augenmerk der Forschung auf einen bisher wenig beachteten Aspekt der DP-Thematik gerichtet zu haben, den er auf breiter Quellen- und Literaturgrundlage dokumentiert. Sprachliche Unebenheiten und orthographische Fehler hätten jedoch in einer überarbeiteten Auflage beseitigt werden können. Einen positiven Eindruck hinterlassen die zahlreichen Abbildungen aus deutschen und polnischen Archiven.

Christian Pletzing, Lübeck

Zitierweise: Christian Pletzing über: Roman P. Smolorz Displaced Persons (DPs). Autoritäten und Anführer im angehenden Kalten Krieg im östlichen Bayern. 2., verb. u. erw. Aufl. Stadtarchiv Regensburg Regensburg 2009. = Regensburger Studien, 11. ISBN: 978-3-935052-53-5, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Pletzing_Smolorz_Displaced_Persons.html (Datum des Seitenbesuchs)

© 2011 by Osteuropa-Institut Regensburg and Christian Pletzing. All rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact redaktion@osteuropa-institut.de

Zitierweise: Christian Pletzing über: Roman P. Smolorz Displaced Persons (DPs). Autoritäten und Anführer im angehenden Kalten Krieg im östlichen Bayern. 2., verb. u. erw. Aufl. Stadtarchiv Regensburg Regensburg 2009. = Regensburger Studien, 11. ISBN: 978-3-935052-53-5, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, jgo.e-reviews 1 (2011), 2, S. : http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Pletzing_Smolorz_Displaced_Persons.html (Datum des Seitenbesuchs)