Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 5 (2015), 1 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Georg Wurzer

 

Besetzt, interniert, deportiert. Der Erste Weltkrieg und die deutsche, jüdische, polnische und ukrainische Zivilbevölkerung im östlichen Europa. Hrsg. von Alfred Eisfeld / Guido Hausmann / Dietmar Neutatz. Essen: Klartext, 2013. 400 S. = Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte des östlichen Europa, 39. ISBN: 978-3-8375-0783-6.

Inhaltsverzeichnis:

http://d-nb.info/1022587420/04

 

Der vorliegende Sammelband entsprang einer Konferenz zum ThemaDer Erste Weltkrieg und die Zivilbevölkerung in den Gebieten von der Ostsee bis zum Schwarzen Meerim November 2008. Zum Konferenzband trugen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in verschiedenen Stadien ihrer Laufbahn (Doktorandinnen, akademischer Mittelbau und Ordinarien) bei. Sie stammen bis auf Matthew Stibbe (University of Sheffied) alle aus dem deutschsprachigen Raum bzw. aus Osteuropa, also der untersuchten Region selbst. So vielfältig wie die Autorinnen und Autoren sind auch die Beiträge.

Nach einer informativen Einführung in das Thema durch Dietmar Neutatz und Lena Radauer und einem überzeugenden Aufsatz von Reinhard Nachtigal zur Kriegsplanung und Kriegszielpolitik der drei Kaiserreiche auf dem östlichen Kriegsschauplatz wird eine Vielzahl von Fragen zur Behandlung der Bevölkerung in Osteuropa durch diese kriegsführenden Mächte angesprochen. Dies betrifft das tragische Schicksal der Juden, die Internierung von Zivilisten in Österreich-Ungarn, die Politik der Habsburgermonarchie in der Ukraine, die Polenpolitik im Deutschen Reich, die Besatzungspolitik der beiden Mittelmächte in Polen sowie verschiedene Aspekte der Behandlung der Deutschen durch die Behörden des Zarenreiches. Die letztgenannte Frage wird vor allem von ukrainischen und russischen Kolleginnen und Kollegen bearbeitet. Thematisch aus dem Rahmen fällt der Aufsatz von Katja Wüstenbecker über die Politik gegenüber den Deutschstämmigen in Kanada und den USA; er überzeugt aber dadurch, dass er einen Vergleichsmaßstab für die Einordnung der Behandlung der Zivilbevölkerung in Osteuropa in den Rahmen des Ersten Weltkriegs als globales Phänomen bietet.

Am Anfang aller Beiträge stehen zunächst Darstellungen der Vorgeschichte des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes, die verschieden ausführlich ausfallen. In Wolfram Dorniks Aufsatz zur Politik Österreich-Ungarns gegenüber der Ukraine und den Schwarzmeerdeutschen sind die allgemeinen Anmerkungen so detailliert, dass er das Schicksal der Schwarzmeerdeutschen selbst kaum mehr zur Sprache bringen kann.

Aufgrund der Dichte der Untersuchung sind Wiederholungen in den verschiedenen Artikeln kaum zu vermeiden. Auffallend ist, dass einige mit flotter Feder geschrieben sind, während andere sich einer strengen Wissenschaftssprache bedienen. Ebenso springt bei einem Vergleich der Beiträge der aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Historikerinnen und Historiker mit denen ihrer westlichen Kolleginnen und Kollegen das, allerdings unterschiedlich starke, Nachwirken der jeweiligen Traditionen der Historiographie ins Auge. So erscheint der Aufsatz von Svetlana Bobyleva zur deutschen Frage in der russischen Gesellschaft eher konventionell.

Auch wenn die Artikel verschiedene Traditionen und Ansätze widerspiegeln, bestechen sie doch insgesamt durch ihr hohes Niveau. Ihre Lektüre ist interessant nicht nur für einen engen Kreis von Fachleuten für den Ersten Weltkrieg. Sie ergeben ein stimmiges Gesamtbild, aus denen sich weiterreichende Schlussfolgerungen für das Verhalten gegenüber Minderheiten in bewaffneten Konflikten aufdrängen, auch wenn solche allgemeinen Schlüsse nicht explizit ausgesprochen werden. So ist es auch ein besonderes Verdienst der erfahrenen Herausgeber, dass mit dem vorliegenden Buch ein wertvoller Beitrag zur Geschichte des Ersten Weltkriegs geleistet werden konnte.

Georg Wurzer, Tübingen

Zitierweise: Georg Wurzer über: Besetzt, interniert, deportiert. Der Erste Weltkrieg und die deutsche, jüdische, polnische und ukrainische Zivilbevölkerung im östlichen Europa. Hrsg. von Alfred Eisfeld / Guido Hausmann / Dietmar Neutatz. Essen: Klartext, 2013. 400 S. = Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte des östlichen Europa, 39. ISBN: 978-3-8375-0783-6, http://www.oei-dokumente.de/JGO/erev/Wurzer_Eisfeld_Besetzt_interniert_deportiert.html (Datum des Seitenbesuchs)

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