Jahrbücher für Geschichte Osteuropas
Herausgegeben im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg
von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz
Band 58 (2010) H. 3, S. 407-412
Orlando Figes Die Flüsterer. Leben in Stalins Russland. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter. Berlin Verlag Berlin 2008. ISBN: 978-3-8270-0745-2.
Im März 2010, kurz vor den Feierlichkeiten zum 65. Jahrestag des Sieges im „Großen Vaterländischen Krieg“, wurde die russische Gesellschaft wieder einmal durch eine Stalinismus-Debatte aufgerüttelt. Der in der breiten Öffentlichkeit und auf der höchsten politischen Ebene ausgetragene Streit wurde durch den Vorschlag einiger Kriegsveteranen ausgelöst, die zum diesjährigen 9. Mai Plakate mit dem Porträt des Generalissimus auf den Moskauer Straßen sehen wollten. Die Reaktion auf die Bitte der Veteranen führte erneut vor Augen, wie gespalten die russische Gesellschaft in ihrer Bewertung der historischen Figur Stalins ist: Der „Genosse Stalin“ steht auch zwanzig Jahre nach dem Kollaps der UdSSR in der Gedächtnis-Arena. Die Rivalen in dieser Auseinandersetzung sind noch die alten – nämlich die divergierenden historischen Interpretationen in Bezug auf seine Person: Vom „Führer aller Völker und Zeiten“ bis zum „Henker an seinem eigenen Volk“ – zwischen diesen Polen bewegt sich die Erinnerungslogik der heutigen russischen Gesellschaft. Die Ambivalenz ist dabei ihre prägende Eigenschaft: Das Ausmaß der Gewalt während der Stalinzeit wird zwar kaum in Abrede gestellt, dessen ungeachtet wird es aber wegen des – vermeintlich – erreichten Zweckes vielfach mit Verständnis zur Kenntnis genommen. Es sind viele „aber“, die dazu ins Feld geführt werden – „aber Stalin hat das Land industrialisiert“, „aber dank Stalin haben wir den Krieg gewonnen“, „aber vielleicht hat Stalin nichts vom Ausmaß der Repressionen gewusst“. Es ist der Modernisierungsglauben, der heute noch den Rahmen für das Erinnern vorgibt, es ist immer noch der berüchtigte Satz „Stalin übernahm das Land mit einem Holzpflug und hinterließ es mit einer Atombombe“, welcher fälschlicherweise Churchill zugeschrieben wird. Fest tradiert und nachhaltig sind Gedächtnismotive wie „ščastlivoe detstvo“ „družba narodov“, doch zuerst und vor allem „velikaja pobeda“, die den Stalinismus im positiven Lichte erscheinen lassen. Noch sinnfälliger klingt diese Ambivalenz in den Fällen an, in welchen das Opfer selbst die Politik Stalins zu rechtfertigen versucht: „Meine Familie saß in den Lagern, von fünfen ist nur (!) einer umgekommen. Aber nach der Freilassung haben sie alle ihre Ausbildung bekommen und glücklich gelebt“, mailte neulich einer der Hörer an den Radiosender „Echo Moskvy“.
Es ist also ein Zwiespalt nicht nur innerhalb der post-sowjetischen Gesellschaft, sondern auch ein innerer der Menschen. Es ist diese Frage, die einen aufwühlt: Wie kann ein Mensch, der selbst oder dessen Familie verfolgt wurde, mit dem Stalinismus sympathisieren und Stalins Verbrechen rechtfertigen? Der hier vorliegende Band kann als ein Erklärungsversuch gesehen werden: Orlando Figes, längst etablierter britischer Russland-Historiker, porträtiert in seinem mehr als Tausend Seiten umfassenden Werk „Die Flüsterer“ die letzte Erlebnisgeneration – Menschen unterschiedlicher regionaler und sozialer Herkunft, die unter Stalin geboren, erzogen, verfolgt wurden oder aufgestiegen sind. Es ist eine großartig mehrschichtige Zusammenschau: Im Buch sprechen die so genannten „Kinder von 1937“, die ihre Eltern durch „Säuberungen“ verloren haben, und ehemalige Mitglieder der Nomenklatura, Insassen des GULags und Angehörige des Wachpersonals, „Entkulakisierte“ und vydvižency. Wenn Tomasz Kizny mit seinem dokumentarischen Bildband „GULag“ den Opfern des stalinistischen Terrors das Gesicht gegeben hat, so gab Orlando Figes ihnen eine Stimme. Die Geschichte, die der Stimmenchor, oder vielmehr das „Geflüster“ der letzten Zeitzeugen, erzählt, ist vielleicht der letzte und zugleich wirksamste Versuch, sich der Verklärung Stalins zu widersetzen. Anders kann es nicht sein, denn einige Stellen kann man nicht lesen, ohne dabei Wut zu verspüren: Es sind die Textabschnitte, in denen es um das entsetzliche Sterben unschuldiger Menschen, nicht zuletzt von Frauen und Kindern geht. Nicht minder aufwühlend sind die aufgeführten Briefe der Verhafteten an ihre Kinder, voll von Liebe, Trennungsschmerz und Anteilnahme an deren Schicksal; oder die Erinnerungen der Mütter, die das langsame Sterben ihrer neugeborenen Kinder im Lager mit ansehen mussten.
Das Buch beginnt mit der Geschichte von Antonina Golovina, deren Lebensweg als symptomatisch für Millionen ähnlicher Schicksale der Verfolgten unter Stalin gelten kann – zunächst unrechtmäßige Verhaftung, Leid und Not des Lagers, dann doch Komsomol- und Parteibeitritt. Golovina musste den inneren Zwiespalt – das erlebte Unrecht einerseits und der Anpassungszwang andererseits – bis in die Perestrojka-Jahre durchleben. Ihr Leben zeigt die charakteristische Überlebensstrategie, welche die Helden des Buches – die Verfolgten, die Kinder der „Volksfeinde“ – entwickelten und bis 1989 beibehalten mussten. Bis in die neunziger Jahre verschwieg Golovina ihre Vergangenheit und ihr Trauma vor ihrem Mann, der ebenfalls ehemaliger Lagerhäftling war: Die im öffentlichen Leben gültigen Tabus waren auch im Privatleben bestimmend.
Einige Emotions- und Verhaltensmuster sind in beinahe jeder von Figes erzählten Familiengeschichte anzutreffen: Verzweiflung und Heuchelei, Angst und Verdrängung. Dies sind auch die Gefühle und Handlungsweisen, die unter Stalin eine besondere Verbreitung gefunden hatten, „groß wurden“, und die das Kommunikationsverhalten der einzelnen Bürger regelten; als ein solches Verhaltensmuster war das Schweigen das vielleicht am stärksten verbreitete.
Die Große Verzweiflung: Viele Familienschicksale sind Beispiele dafür, wie es den Bol’ševiki gelang, „die Hüllen des Privatlebens zu sprengen“, – so das Schicksal von Michail Bajtalskij, dessen Frau sich von ihm lossagte, als er der konterrevolutionären Tätigkeit beschuldigt wurde: Ihre Persönlichkeit und das eigene Verständnis von ‚Gut‛ und ‚Böse‛ seien vollständig vor der Parteiautorität zurückgewichen (S. 80). Der Mensch und sein Lebensalltag sollten einzig und allein der Partei gehören, Raum fürs Private wurde nicht zugelassen. Der Zusammenhalt der Familie wird durch die Neue Macht, die die Wert- und Moralvorstellungen vorgab, auf brutalste Weise aufgebrochen, ihre Rolle übernahmen nun soziale Institutionen wie Komsomol, Fabrik und Partei. Zu den erschütterndsten Stellen im Buch gehören jene, in denen beschrieben wird, wie Kinder, weil sie ihre Eltern des „Verrats“ verdächtigten, sich von diesen lossagten und in Verleugnungsbriefen sogar von Hass auf sie schrieben: „[…] ich schäme mich, ihn meinen Vater zu nennen. Ein Volksfeind kann nicht mein Vater sein“, ließ die 18-jährige Anna Krivko einen Abgeordneten im Obersten Sowjet wissen (S. 442). Das stalinsche System zerstörte den Familienzusammenhalt metaphorisch und konkret: Die Säuberungswellen produzierten eine unheimliche Anzahl an Waisenkindern, die in die ‚umgekrempelte‛ Gesellschaft geworfen wurden. Um der Verzweiflung zu entgehen, versuchten die Angehörigen der Opfer – und zum Teil sogar die Opfer selbst – zu glauben, die Verhaftung sei rechtens gewesen: Die Entscheidung der Partei in Zweifel zu ziehen, bedeutete für die einzelnen Menschen den Zusammenbruch ihres Glaubenssystems. Ihre Überlebensstrategie bestand folglich in der unbewussten Autosuggestion, die Repressalien seien begründet (S. 410). Mehr noch, viele Bol’ševiki gaben aus eigenen Stücken ihre „Verbrechen“ zu, weil sie meinten, es sei „ein Opfer für die Partei erforderlich“ (S. 364–365).
Die Große Heuchelei: Das stalinistische System bot seinen Urteilsvollstreckern – den NKVD-Angehörigen, dem Lagerwachpersonal, den Führungsfunktionären auf der lokalen Ebene – a priori eine Erklärungs- und Rechtfertigungsstrategie für ihr Handeln. Man habe das Land vor den „unzuverlässigen Elementen und Zauderern schützen müssen“ (S. 358). Vor allem der Sieg im „Großen Vaterländischen Krieg“ wurde als Schutzmythos gegen eine kritische Reflexion und Revision instrumentalisiert. Die Säuberungswelle in der Militärführung und die Vernichtung der nationalen Eliten während des Großen Terrors habe die Gefahr des innergesellschaftlichen Konflikts gebannt. Die von Figes dokumentierten Gespräche mit den Mitbeteiligten am stalinistischen Terror deuten daraufhin, dass sie bis heute ihr Handeln mit dem sowjetischen Narrativ des notwendigen Verhaltens gegen „Schädlinge“ rechtfertigen (S. 882). Somit nutzen die Täter des stalinistischen Systems die der „ambivalenten Moderne“ (Zygmunt Baumann) innewohnende Logik, dass der Zweck die Mittel rechtfertige und somit die Opfer für den Aufbau des Kommunismus notwendig gewesen seien.
Das Große Schweigen: Orlando Figes’ Erzählung erschient um so bemerkenswerter, weil es eine Erzählung vom Nicht-Erzählen, vom Beschweigen ist. Es geht um die jahrelang gepflegte Strategie des Umgangs mit dem Stalinschen Terror. Die Opfer selbst berichteten bis 1989 nie über ihre Erfahrung; ihre Kinder wurden „zum Schweigen erzogen“. Das Erzählen über das Erlebte konnte schwerwiegende Folgen haben wie gesellschaftliche Ächtung, Verlust des Arbeitsplatzes; auch privat trieb es den Betroffenen in die Isolation. In dieser Atmosphäre des Misstrauens, des gegenseitigen Verdachts sowie der allnächtlichen Furcht vor dem voronok, dem schwarzen Wagen des NKVD, vollzog sich die Atomisierung der Gesellschaft. Und obwohl man einen Wohnraum in der kommunalka mit vier bis fünf weiteren Familien teilen musste, war die individuelle Vereinsamung nie so stark wie in der Stalinzeit: Die permanente Angst, denunziert zu werden, bedingte die Überlebensstrategie: „Du musst flüstern, oder man wird uns verhaften.“ (S. 279) Zum Schweigegebot im öffentlichen Raum wurde noch das in der familiären Kommunikation hinzugefügt. Dabei kann, wie Harald Welzer feststellte, ein Ereignis erst durch elterliches Nachfragen und Pointieren zu einem Bestandteil des autobiographischen Gedächtnisses der Kinder werden. Dass die heutigen jungen Russen nur wenig von der sowjetischen Geschichte der Gewalt wissen, liegt nicht zuletzt daran, dass die Großeltern nicht erzählten und die Enkel nicht nachfragten. Dieses „zweifache Tabu“ resultierte in einem nachhaltigen Trauma, welches sogar auch nach dem Rehabilitierungsgesetz der neunziger Jahre noch fortwirkt. Es führte unter anderem dazu, dass man sich bis heute beim Sprechen über GULag und Großen Terror in Euphemismen flüchtet. Wie „Memorial“ neulich feststellte, benutzt man „sie“ als Bezeichnung für NKVD, „dort“ – für den Ort der Lagerhaft. Somit änderten sich auch in der neuen politischen Situation diese (Nicht-)Erzählpraktiken nur wenig.
Die Große Angst: Die Angst vor der Verhaftung und die Scham nach der Rückkehr aus dem Lager sind bei Figes die Emotionen, welche einen großen Teil der sowjetischen Gesellschaft charakterisieren. Dabei kam Angst als Stütze des stalinistischen Systems schon in den Moskauer Tagebüchern Walter Benjamins auf. Der westeuropäische Intellektuelle, gleichwohl von der Oktoberrevolution fasziniert und von der kommunistischen Utopie verführt, sah während seiner Reise nach Moskau, noch bevor die ersten großen Säuberungswellen die Parteispitze wegspülten, Angst als unsichtbares Symptom der kommunistischen Religion, als Stütze des quasi-religiösen Glaubenssystems, dessen Name Kommunismus war. Die Allgegenwärtigkeit der Angst lähmte die Gesellschaft, zerbrach die Reste der traditionellen Gemeinschaftsstrukturen, trug gewissermaßen dazu bei, dass der Terror Massencharakter annahm: Das führte dazu, dass Nachbarn, Kollegen, Freunde, Ehepartner einander denunzierten und somit den trojkas eine Verhaftungslegitimation lieferten. Viele der stigmatisierten „Kulakenkinder“ und „Kinder von 1937“ versuchten die „genetische Furcht“ (S. 905) durch die Entstellung und Anpassung des eigenen Ichs zu bezähmen und übernahmen die Verhaltensnormen der ‚normalen‛ Kommunisten wie Antonina Golovina, eine der Hauptprotagonistinnen der „Flüsterer“; viele der Vertreter der sowjetischen Intelligencija wie der Dichter Konstantin Simonov hatten ihren „moralischen Kompass neu ausgerichtet“ und unterdrückten ihre Zweifel, während ihre Kollegen verschwanden (S. 396).
Die Große Verdrängung: Figes schließt sein Buch mit dem Kapitel darüber, wie seine „Flüsterer“ mit ihren psychischen Traumata nach dem XX. Parteitag 1956 umgingen bzw. heute noch damit leben. Während des Lesens erweist sich der Kapitelname „Erinnerung“ als unscharf, denn meistens ist es Nicht-Erinnern, Verdrängung, Substitution durch positive Erlebnisse und Amnesie, was die Erinnerung an die Stalinzeit auszeichnet. Die Rückblicke der Menschen auf ihr Leben zeichnen sich durch einen ungemein großen Lebenswillen aus, der Erzählduktus weist weder Zorn noch Verbitterung auf. Häufig berichten sie gar vom Stolz, den sie empfinden, wenn sie auf ihr Leben, auf die erworbenen beruflichen Qualifikationen, auf ihre persönlichen Eigenschaften sowie auf ihren Beitrag zur „Großen Baustelle des Kommunismus“ zurückblicken. In der Tat kann die Erklärung für diese kompensierende Erinnerungsphilosophie vielmehr in der Sozialpsychologie als in der Geschichtswissenschaft gefunden werden. Das Erlebnis des Traumas – und die Erinnerung daran – lässt das Opfer ohne moralischen Halt und zerstört das sinngebende Lebenskonzept. Würde man das eigene Leben als Abfolge von Gewalt und Kollaboration mit dem verbrecherischen System deuten, wäre es einem nicht möglich, eine positive Identität zu gewinnen. Eine der Autorin von einem „Memorial“-Mitarbeiter jüngst erzählte Geschichte kann dies auf eine klare Art und Weise illustrieren: Während der Reise zu einer Gedenkfeier auf den Soloveckij-Inseln murmelte ein älterer Herr, ein ehemaliger GULag-Häftling, die ganze lange Busfahrt grimmig vor sich hin. Die Mitreisenden dachten, die Erinnerung an das Vergangene sei für ihn zu schmerzhaft, und sie versuchten, mit Blick auf seine schmerzlichen Erfahrungen ihm ihr Mitgefühl zu vermitteln. Darauf reagierte er trotzig und verärgert: „Wir haben nicht gelitten, wir haben gelebt“. Ganz am Ende des Buches wendet sich Figes wieder der Person zu, mit deren Geschichte er das Buch begonnen hat, – Antonina Golovina. Er erzählt, wie sie Frieden mit ihrer Vergangenheit schloss: 2004 besuchte sie den Verbannungsort ihrer Familie in der ferngelegenen Altai-Region und sprach mit einer Frau, die, ebenso wie sie selbst, als „Kulaken-Tochter“ dort in der Sondersiedlung gelebt hatte. In diesem Gespräch legte Antonina Golovina das Flüstern in ihrem Kopf ab und sagte laut und stolz: „Ich bin eine Kulakentochter“.
Was bedeutet Figes’ Buch für die Erinnerungsforschung, für die Fürsprecher der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit im post-sowjetischen Raum? Herausragend ist vor allem der Einblick in die Erinnerungswelt der Individuen, was Figes’ Studie von den Monographien zur sowjetischen Geschichtskultur als politisches Projekt oder ‚Geschichte von oben‛ unterscheidet. Gewiss, er ist nicht der erste, der das Konzept des Traumas in die Diskussion um die Stalinzeit brachte. Viele Historiker, unter ihnen Nina Tumarkin, Alexander Ėtkind, Catherine Merridale, charakterisierten das heutige kollektive Gedächtnis hinsichtlich des Stalinismus’ als ein post-traumatisches Gedächtnis, das sich kaum in Form eindeutiger Bewertungen und Ansichten in Bezug auf die Erinnerungsfigur Stalin stabilisieren kann. Das eher positive Stalinbild in der heutigen russischen Gesellschaft, das die Umfragewerte des Levada-Zentrums belegen, nach denen jeder fünfte Russe mit der historischen Figur Stalins sympathisiert, könnte als Konzept der Trauma-Überwindung gedeutet werden. Mit seiner Dokumentation der mündlichen Zeugnisse illustriert Figes das sozialpsychologische Phänomen, das Paul Ricouer als „Kultur des Vergessens“ bezeichnet hat: Nicht nur die Erinnerung ist aktiv, sondern auch Vergessen ist ein bewusster Prozess, welcher mit dem selektiven Erinnern verbunden ist. Das bewusste Vergessen des einen biographischen Abschnitts und die Hervorhebung des anderen ermöglichte den Opfern – ebenso wie den Tätern – das Überleben. Mit seiner eindringlichen, unter die Haut gehenden Beschreibung dessen, wie der Mensch mit dem erlebten Trauma umgeht, dieses verdrängt oder umdeutet, gelingt Figes’ ein tiefgehender Einblick in die Erinnerungswelt der Erlebnisgeneration und dadurch die Antwort auf die die Historiker immer wieder aufwühlende Frage, warum in Russland das ruhmreiche Gedächtnis über das schmerzhafte gesiegt hat.
Ekaterina Makhotina, München
Zitierweise: Ekaterina Makhotina über: Orlando Figes Die Flüsterer. Leben in Stalins Russland. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter. Berlin Verlag Berlin 2008. ISBN: 978-3-8270-0745-2, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 58 (2010) H. 3, S. 407-412: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Makhotina_Figes_Fluesterer.html (Datum des Seitenbesuchs)
*Rezensiert nach der deutschen Ausgabe: Orlando Figes Die Flüsterer. Leben in Stalins Russland. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter. Berlin Verlag Berlin 2008. 1036 S., Abb. ISBN: 978-3-8270-0745-2.
1Igal Halfin From Darkness to Light. Class, Consciousness and Salvation in Revolutionary Russia. Pittsburgh 2000; Jochen Hellbeck Revolution on My Mind. Writing a Diary under Stalin. Cambridge, MA, London 2006.