Jahrbücher für Geschichte Osteuropas
Ausgabe: 59 (2011) H. 2
Verfasst von: Anne-Christin Saß
Rebekka Denz Bundistinnen. Frauen im Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund („Bund“) dargestellt anhand der jiddischen Biographiensammlung „Doires Bundistn“. Universitätsverlag Potsdam 2009. 169 S. = Pri ha-Pardes, 5. ISBN: 978-3-940793-58-4.
Die vorliegende Studie von Rebekka Denz, die eine überarbeitete Fassung ihrer Magisterarbeit darstellt, fragt nach der Bedeutung, der Wahrnehmung und den Lebensentwürfen von Frauen im Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund seit seiner Gründung 1897 bis zum Jahr 1939. Als Hauptquelle dient die von Jacob Sholem Hertz herausgegebene dreibändige Biographiensammlung „Doires Bundistn“, die 1956 und 1968 parallel zur ebenfalls von Hertz bearbeiteten fünfbändigen Parteigeschichte „Di geshikhte fun bund“ herausgegeben wurde und die bislang noch nicht zum Gegenstand einer historiographischen Untersuchung gemacht worden ist. Im ersten Kapitel setzt sich die Autorin mit der Entstehungsgeschichte und den sich insbesondere aus dem Zweck der Biographiensammlung – den Opfern der Shoah ein Denkmal zu setzen – ergebenden Implikationen für die folgende Analyse auseinander. Analog dem Selbstverständnis und der geographischen Verschiebung des Hauptwirkungsfeldes der Partei werden die 96 Frauenbiographien in zwei Kapiteln, Frauen im „Russischen Bund“ (1897–1917) und Frauen im „Polnischen Bund“ (1918–1939) untersucht. Die Zäsur von 1917, die in der Bund-Geschichte den Übergang von einer illegalen politischen Bewegung im Russländischen Reich zu einer anerkannten Partei im unabhängigen Polen markiert, wirkte sich in besonderer Weise auf die Tätigkeit der Bundistinnen aus. Während Frauen im ‚Russischen Bund‘ eine Vielzahl von illegalen Diensten wie den Schmuggel von Informationen und Waffen sowie die Verteilung und Lagerung von Literatur übernahmen, konzentrierte sich ihre Tätigkeit im ‚Polnischen Bund‘ vor allem auf den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und die Mitarbeit in der 1925 gegründeten Frauenorganisation „Yidishe Arbeyter Froy“ (S. 119). Für den Bereich der Lebensgestaltung kann Rebekka Denz die in der Forschung vertretene These widerlegen, dass es Frauen in der Frühzeit des Bundes ablehnten zu heiraten und dass Heirat zwangsläufig das Ende ihrer Parteitätigkeit bedeuten musste. Darüber hinaus geben die Biographien in den „Doires Bundistn“ Hinweise auf eine höhere Mobilität von Frauen im ‚Russischen Bund‘ und – wenn man die Unterorganisationen im ‚Polnischen Bund‘ berücksichtigt – eine stärkere Beteiligung in Führungspositionen als bislang angenommen. Insgesamt stellt die Arbeit einen ersten, weitere Forschungen anregenden Versuch dar, sich den Lebenswirklichkeiten jüdischer Frauen in der sozialistischen, jiddischistischen Bewegung des Bund aus einer feministischen Perspektive zu nähern und die in den „Doires Bundistn“ beschriebenen Lebenswege hinsichtlich ihrer (Re-)Konstruktionsprinzipien zu lesen.
Anne-Christin Saß, Berlin
Zitierweise: Anne-Christin Saß über: Rebekka Denz Bundistinnen. Frauen im Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund („Bund“) dargestellt anhand der jiddischen Biographiensammlung „Doires Bundistn“. Universitätsverlag Potsdam 2009. = Pri ha-Pardes, 5. ISBN: 978-3-940793-58-4, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Sass_Denz_Bundistinnen.html (Datum des Seitenbesuchs)
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